Ägyptische Hieroglyphen sind gar nicht so unverständlich

Wer sich alte Grabinschriften aus Ägypten schon mal näher betrachtet hat, der wird über die zahlreichen Zeichenfolgen nur verwundert den Kopf geschüttelt haben. Denn gerade verständlich scheint diese Schrift nicht. Oder vielleicht doch? Wer genauer hinsieht, wird Erstaunliches entdecken.

Schon Harry in Form von Billy Christal in der Komödie „Harry und Sally“ hatte seine ganz eigene Theorie über die Hieroglyphen. „Die sind nämlich eigentlich antike Comics über eine Figur namens Sphinxi“, so seine Meinung. Damit liegt er in seiner Theorie nur unwesentlich weiter im Bereich der Skurrilitäten wie Gelehrte von vor anderthalbtausend Jahren, die mutmaßten, dass die Zeichen für Laute stehen. Doch warum gibt es so viele davon? Immerhin haben Inschriften aus der Blütezeit des alten Ägypten bis zu 700 Symbole. Demgegenüber hat unser heutiges Alphabet lediglich 30 Buchstaben. Vielleicht bilden Hieroglyphen ja auch einfach das ab, was sie meinen? Doch das kann auch nicht ganz hinkommen, denn dann müsste es in den meisten Inschriften um Vögel gehen. Immerhin zeigen mehr als 50 der klassischen bekannten Zeichen Federvieh, Säugetiere kommen wesentlich seltener vor.

Symbolische Bedeutung galt lange als Erklärung

Lange war die vorherrschende Meinung, dass es sich bei den Bildern jeweils um die symbolische Darstellung ihrer Bedeutung handelt. Damit entstand die Faszination dieser Zeichensprache und ihre abstrakten Muster der Keilschrift. Das blieb so bis zum 14. September 1822, an diesem Tag klärte der Franzose Jean-Francois Champollion nämlich das Mysterium auf seine Art. Er versuchte dem Geheimnis der Hieroglyphen durch einen Vergleich mit der Inschrift auf dem Rosetta-Stein auf die Spur zu kommen. Aber auch die Tatsache, dass der Franzose die koptische Sprache beherrschte, von dem ja direkt das pharaonische Ägyptisch abstammt, half ihm bei seiner Entschlüsselung. In seiner Veröffentlichung aus dem Jahre 1824 schrieb er: “Die Hieroglyphenschrift ist ein komplexes System einer Schrift, die bildhaft, symbolisch und phonetisch zugleich ist. Und zwar in ein und demselben Text, durchaus auch in ein und demselben Satz, manchmal sogar in ein und demselben Wort.“

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Unterschied zwischen klingenden und deutenden Zeichen

Wer genauer hinsieht, wird tatsächlich Hieroglyphen finden, die aussagen, was sie abbilden. Das ist zum Beispiel bei der Bezeichnung für den Mistkäfer so. Aber das bedeutet nicht automatisch, dass diese Theorie auch umgekehrt gilt. Denn es ist uns kein Text überliefert, in dem die Zeichnung eines Hasen als Hieroglyphe auch tatsächlich das Nagetier meint. Viel häufiger als eine direkte Bildhäufigkeit ist die Verwendung als Symbole. Die Darstellung einer Papyrusrolle kann zwar auch diese tatsächlich meinen, ist aber meist als stummes Zeichen verwendet. Das heißt, es deutet einfach an, dass die vorangegangene Zeichengruppe ein Wort mit abstrakter Bedeutung darstellt. Solche sogenannten Deutzeichen wurden von ägyptischen Schreibern häufig verwendet. So zeigt etwa ein Paar laufender Beine an, dass im vorangegangenen Text von Bewegung die Rede war; ein sitzender Mann mit der Hand auf dem Mund wiederum unterstreicht die Bedeutung, dass es in der Textstelle gerade um Kommunikation und um das Sprechen ging.

Schöne Schrift statt korrekter Rechtschreibung

Damit durften ägyptischer Schreiber etwas tun, was heutigen Schülern vermutlich das Leben erleichtern würde. Sie konnten nämlich ein und dasselbe Wort in unzähligen unterschiedlichen Varianten schreiben. Keine davon wurde als falsch eingestuft, sofern sie im jeweiligen Kontext als richtig erkannt wurde. Auch Rechtschreibregeln gab es im alten Ägypten noch nicht, außer dem ungeschriebenen Gesetz, dass der Name Gottes immer am Anfang eines Satzes zu stehen hatte. Damit ist auch klar, warum auf ägyptischen Inschriften die Zeichengruppe für „Amun“ als Erste geschrieben steht, aber als Letztes gelesen wurde. Ahja, Thema Leserichtung: Eigentlich lief die hieroglyphische Schreibschrift von rechts nach links, doch bei den Hieroglyphen selbst konnte es auch vorkommen, dass es genau die andere Richtung nahm. Damit waren die Zeichen quasi gespiegelt und die Blickrichtung der abgebildeten Lebewesen zeigten dem Leser die Richtung an, nämlich immer den Gesichtern entgegen.

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Maik Justus