Der Mindestlohn und die Realität

Friseure, Reinigungskräfte und auch die Mitarbeiter aus den vielen Callcentern sahen einen Silberstreif am Horizont, als das Gesetz über den Mindestlohn endlich vom Parlament verabschiedet wurde. Sie hatten die große Hoffnung, nicht länger für ein paar Euro pro Stunde arbeiten zu müssen, denn der gesetzliche Mindestlohn sieht immerhin einen Betrag von 8,50 Euro pro Stunde vor, was für viele Arbeitnehmer mehr Geld in der Lohntüte bedeutet hätte. Die Betonung liegt hier auf dem Wort „hätte“, denn kaum gibt es den Mindestlohn, schon suchen viele Arbeitgeber nach Mitteln und Wegen diesen Lohn zu umgehen und ihre Mitarbeiter weiter mit weniger Geld abzuspeisen.

Die miesen Tricks

Seit es den gesetzlichen Mindestlohn gibt, stehen bei den Gewerkschaften die Telefone nicht mehr still. Gerechnet hatten die Mitarbeiter des DGB mit maximal 100 Anrufen am Tag, heute sind es zwischen 300 und 400 pro Tag und die Tendenz ist steigend. Immer mehr Arbeitnehmer wenden sich verzweifelt an die Gewerkschaften und berichten von zum Teil haarsträubenden Tricks, mit denen vielen Arbeitgeber arbeiten, um den Mindestlohn nicht zahlen zu müssen.

So klagen zum Beispiel viele Zeitungs-, Brief- und Paketzusteller, dass sie innerhalb einer bestimmten Zeit eine bestimmte Anzahl an Briefen, Zeitungen oder Pakete ausliefern müssen und dass die Zeit jetzt noch knapper bemessen ist. Das heißt, sie schaffen es nicht, alles in diesem Zeitraum auszuliefern und müssen wohl oder übel noch mehr Zeit aufbringen, und damit bekommen sie auch weniger als 8,50 pro Stunde. Auch Gebäudereiniger klagen darüber, dass wenn sie früher 18,- Euro in drei Stunden verdient haben, sie plötzlich nur zwei Stunden Zeit für den gleichen Arbeitsaufwand haben. Auch hier wird der Mindestlohn geschickt ausgetrickst.

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Kein kompliziertes Gesetz

Das Gesetz für den Mindestlohn ist im Grunde ein sehr einfach strukturiertes und gut zu verstehendes Gesetz, aber es gibt zu viele Ausnahmen. So gilt der Mindestlohn zum Beispiel nicht, wenn es um Langzeitarbeitslose geht und auch alle, die unter 18 Jahre alt sind und keinen beruflichen Abschluss haben, müssen auch weiterhin für weniger als 8,50 Euro in der Stunde arbeiten gehen. Auch dass der Mindestlohn mit einer unüberschaubaren Fülle von bürokratischem Aufwand verbunden ist, das macht es nicht gerade einfach ihn so umzusetzen, wie es das Gesetz eigentlich vorschreibt.

So müssen die Arbeitgeber praktisch jeden Schritt ihrer Mitarbeiter peinlich genau dokumentieren, damit der Mindestlohn zum Beispiel nicht durch längere Arbeitszeit unterlaufen wird. Der DGB empfiehlt aber auch den Arbeitnehmern, ihre Arbeitszeit sehr genau aufzuschreiben, wenn es darum geht, den Mindestlohn durchzusetzen. Kommt es zu klaren Verstößen gegen den Mindestlohn, dann haben alle, die Mitglied in einer Gewerkschaft sind, schlechte Karten, denn es gibt leider kein sogenanntes Verbandsklagerecht und die Gewerkschaften können deshalb auch nicht als Stellvertreter für die Beschäftigten vors Arbeitsgericht ziehen.

An wen kann man sich bei Fragen wenden?

Wer den Eindruck hat, dass es in seinem Betrieb mit dem Mindestlohn nicht wie versprochen klappt, der kann sich unter anderem an die Gewerkschaften wenden, die Hotlines geschaltet haben, aber auch das Bundesministerium für Arbeit hat eine eigene Hotline zum Thema Mindestlohn eingerichtet. Wie oft diese Hotline allerdings angerufen wird, darüber gibt das Ministerium mit Hinweis auf den Datenschutz keine Auskunft. Die Mitarbeiter des Ministeriums versuchen aber jede eingehende Frage fachkundig zu beantworten, und das Arbeitsministerium legt großen Wert darauf, dass die Qualität und die Genauigkeit bei der Beantwortung der Fragen vor Schnelligkeit gehen.

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Arbeitgeber, die Fragen zum Mindestlohn haben, können sich an ihren jeweiligen Verband wenden, denn seit das Gesetz in Kraft getreten ist, gibt es auch dort Hotlines, die jede Frage zu diesem Thema beantworten. Auch bei den Arbeitgebern reißen die Fragen nicht ab, denn viele Unternehmen wollen wissen, wie sie das neue Gesetz korrekt umsetzen können.

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Maik Justus